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KATE NASH, 05. Dezember 2007 (Kleine
Elserhalle, München)
(von Christoph Löger)
Naschen
mit Nash
Eine Geschichte von dummen Zufällen, Jägermeister und verschluckten Haaren.
Wir waren bei Kate Nash.
Eigentlich
hatte alles schon eine Woche zuvor in England begonnen. Ich saß gemütlich
in einem Pub in Cornwall, draußen peitschte die winterliche Atlantik-Brise
recht vorwitzig den Regen gegen die Fensterscheibe und vor mir am Tisch lag
ein älterer NME zum Blättern. Darin eine G’schichte über Kate Nash,
inklusive Interview. Am meisten, ließ sie mich da auf Papier wissen,
vermisse sie auf Tour ihre heißgeliebten „Hula Hoops“ – ein ziemlich
grauslicher Kartoffelsnack im Sackerl, den es nur auf der Insel gibt. Die
junge Dame isst nämlich für ihr Leben gern und denkt nicht im Traum daran,
irgendwelchen Schlankheitsidealen zu folgen. Das Resultat: Ein sagenhaft hübsches
Mädl mit Rundungen an den richtigen Stellen, dazu rotbraunes Haar und unzählige
Sommersprossen am Kopf, den sie unübersehbar von ihrer irischen Mama geerbt
hat.
Und weil mir grad ohnehin langweilig war, ich zudem wusste, dass ich sie
drei Tage später in München live sehen werde, dachte ich mir, ich mach ihr
eine Freude. Flugs die Jacke zugezippt, raus in den Regen, rein in den
Supermarkt ums Eck und ein kleines Sackerl „Hula Hoops“ gekauft.
Vielleicht ergibt sich ja die Gelegenheit, der guten Kate in München ein
bisserl Heimatgefühl zu bescheren. Viel Chancen auf ein Treffen hatte ich
mir nicht ausgerechnet, da meine Interview-Anfrage viel zu spät kam und
Nash’s Presse-Tante außerdem krank war oder ein Kind bekam oder
irgendsowas. Tja, und am nächsten Tag ist es dann passiert: Auf dem Rückweg
nach London gab’s den üblichen Stau auf der M25, ich war hungrig, wurde
noch hungriger, schließlich wirklich hungrig und am Sitz neben mir lag das
Sackerl. Ritschratsch, mampf und dann das kindlich schlechte Gewissen, was
Verbotenes genas(c)ht zu haben. Sowas Blödes.
48 Stunden später, Fahrt nach München. Neben mir Kollegin T., die
allerbeste von allen, die uns zielsicher durch die bayerische Metropole
lotst. Gottseidank hat sie vorher noch recherchiert, dass das Konzert vom
legendären, aber viel zu kleinen Atomic Café in die Georg-Elser-Halle
verlegt worden war – wie übrigens alle vier Deutschland-Gigs von Kate
Nash in größere Locations umgebucht worden waren, weil restlos
ausverkauft. Eigentlich ein kleines Wunder, weil der Release ihres
wahnwitzig guten Debüt-Albums am Kontinent noch nicht so lang zurück
liegt. Auf der Insel war das schon voriges Jahr der Fall, und es war
ziemlich flott an der Spitze der UK-Charts.
Abends in der Elser-Halle: Versiffter Venue, dunkel und düster mit dem
Charme des Wiener Südbahnhofs, aber irgendwie passend. Den Aufheizer machen
„Get cape, wear cape, fly“. Noch nie gehört, umso überraschender, als
dann nur ein kleiner Typ namens Sam Duckworth auf die Bühne stapft, sich
die Gitarre umhängt und den Laptop anstöpselt. Von der Festplatte kommt
die Hintergrund-Konserve, Duckworth gibt sich viel Mühe und irgendwie
funktioniert dieser Mix live auch recht gut. Auf CD daheim eher weniger.
Duckworth wird mir später erzählen, dass er sich einen Bandnamen gegeben
hat, weil er nicht in die Solokünstler-Schublade á la Jack Penate gesteckt
werden möchte.
Auftritt Kate Nash zu den Klängen von „Somewhere over the rainbow“ aus
dem „Zauberer von Oz“: Wie üblich im feschen Petticoat-Kleidchen, das
gerade Standard-Uniform jeder 20jährigen Engländerin zu sein scheint. Wie
üblich auch die obligatorische Tasse Tee auf Nash’s Piano. Wie üblich
das schüchtern-verhaltene Lächeln. Sie setzt sich hin, startet mit
„Mariella“ und hat augenblicklich die Halle im Griff. Das Publikum ist
im Gegensatz zu Großbritannien nicht ausschließlich weiblich und gerade
den Teenie-Jahren entwachsen, sondern es tummeln sich auffällig viele Männer
im besten Alter. Und nicht alle von ihnen mussten wegen ihrer Freundin
mitgehen, viele sind tatsächlich allein und aus eigenen Stücken gekommen.
Einer schreit: „Come to Austria!!!!“ Sie meint: „Maybe“ – Wollen
wir’s hoffen. Nash hat mit schlechtem Sound zu kämpfen, ihre Stimme
versinkt in der ersten Hälfte irgendwo im viel zu lauten Schlagzeug-Brei.
Schade, weil sie jeden Ton punktgenau trifft, inklusive diesem heftigen
Londoner North Harrow-Dialekt, wegen dem man sie permanent drücken möchte.
„Foundations“ ist der programmierte Live-Smasher zum kollektiven Mitgröhlen,
alle bemühen sich, die Wörtchen „bitch“, „bitter“ und „shit“
ebenso lässig hinzurotzen wie Nash. Im Mittelteil tauscht sie für „Birds“,
„Nicest thing“ und „Dickhead“ Keyboard gegen akustische Gitarre, ab
da wird der Sound schlagartig besser. Geniales Highlight vor den zwei
Zugaben: Das bitterschöne „Merry Happy“ – herrlich lang gezogen, Frl.
T. neben mir findet’s so schön, dass sie eine Träne rausdrückt. Mit
„Little Red“ und „Pumpkin Soup“ verschwindet Kate Nash schließlich
in die Nacht. Schön war’s, aber was nun?
Frl. T. und ich beschließen, noch ins Atomic Café zu fahren. Wenn man
schon mal in München ist, sollte man im bekanntesten Indie-Club der Stadt
zumindest mal reingeschaut haben. Fast scheitern wir an den strengen Blicken
der Türsteher, drinnen wird mir klar, warum: Mit Converse, Beatles-Shirt,
Fetzen-Jean und Nato-Parka ist man hoffnungslos schlecht angezogen, die Münchner
Indie-Wuckels sind dermaßen stylish aufgebretzelt, dass uns ganz schlecht
wird. Wir verziehen uns in ein Eck, schlürfen ein paar Bier und lauschen
dem sensationell guten DJ. Irgendwann schaut Frl. T. verstört drein und
meint, ob der Typ, der grad im Getummel vorbeigelaufen ist, nicht der
Vorgruppen-Laptop-Mensch sei. Sie hat natürlich recht, ich geh hin zu ihm
und frag ihn, ob wir nicht ein bissl tratschen können. Wir gehen vor die Tür,
rauchen, reden über sein Konzert. Dann fragt er, ob er mich Kate Nash
vorstellen soll, die wäre nämlich auch gleich da, um noch was zu trinken.
Ich denke an meine Hula Hoops-Orgie am Londoner Außenring vorgestern und möchte
sterben. Egal, flugs die Kamera geholt und im Schlepptau von Sam Duckworth
zur Bar gedüst. Dort steht Kate Nash mit der ganzen Entourage, schon
umgezogen, abgeschminkt und in schlichter Jacke. Sie würde einem nicht
auffallen. Duckworth stellt mich vor sie hin, es ist extrem laut, und mir fällt
nix Blöderes ein, als ihr die Geschichte von meinem verpatzten Geschenk ins
Ohr zu brüllen. Dabei verschluck ich mich – peinlich – an ihren Haaren,
zieh sie wieder aus meinem Hals und muss auf einmal daran denken, dass Kate
Nash letzte Woche noch ein Foto-Shooting mit Paul McCartney hatte. So nah
werd ich einem Beatle wohl nie wieder kommen, indirekt zumindest. Sie findet
meine Hula Hoops-Idee „really, really sweet“ und fragt dann, was man in
Deutschland trinken soll. Mir fällt wieder nix G’scheites ein, sage „Jägermeister“,
worauf sie an der Bar etwa zwanzig Stück bestellt und uns einlädt. Kurz
noch ein gemeinsames Stalking-Foto hinter der Bar geschossen, dann
verschwindet sie mit einer Freundin auf die Tanzfläche.
Als der DJ dann später in der Nacht „Foundations“ auflegt, ist Kate
Nash schon am Weg nach Köln.
Setlist Kate Nash, 5. Dezember 2007, München
01: Mariella
02: Shit song
03: Stitching leggings
04: Skeleton song
05: Birds
06: Nicest thing
07: Dickhead
08: We get on
09: Mouthwash
10: Foundations
11: Merry Happy
Zugaben
12: Little Red
13: Pumpkin Soup
Straight from Munich: "Foundations",
die Nummer, die Männlein und Weiblein eint und trennt. Und wahrscheinlich
der einzige Song des Jahres 2007, den man auch noch in 10 Jahren mitpfeift.
Grandioses Stück Musik.
http://de.youtube.com/watch?v=RsCv1sNx73Q
Review / Fotos
Christoph
Löger, Klara
Trautner
Copyright: www.britishrock.cc
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Copyright 2007
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