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PAUL WELLER / MOTÖRHEAD / THE KILLS,
November 2008 (London)
(von Thomas Hochwarter)
London
Hattrick
The Kills
Support: XX Teens
Astoria, London
20. November 2008
Motörhead
Support: Saxon
Hammersmith Apollo, London
22. November 2008
Paul Weller
Support: Moke
Brixton Academy, London
25. November 2008
Man möge es
London Special Revival nennen – und damit nicht ganz falsch liegen. Viel
mehr war es jedoch doch erwartete Bestätigung der Tatsache, dass diese Stadt
schlichtweg etwas Besonderes ist; was einem vor allem dann bewusst wird,
wenn man sie nach einiger Zeit – endlich – wieder bereist. Selbst
massenhafte Touristenabzocke und seelenloser Kommerz (Stichwort: Carnaby
Street) dort, wo einmal Trends entstanden sind, trüben diesen Eindruck
nicht.
Natürlich kann man darüber streiten, ob Konzerte einfach besser sind, wenn
sie in London stattfinden. Die Vermutung, dass Bands noch konzentrierter und
engagierter performen, wenn sie in der City zu Gast sind, um sich vor der
besonders einflussreichen Medienmeute keine Blöße zu geben, ist wohl nicht
ganz so daneben. Vor kurzem gab es drei praktische Beispiele dafür.
The Kills sind ohne Zweifel ein innovatives Gespann; der Grund ihrer (mehr
oder weniger) plötzlichen Popularität ist jedoch auch kein Geheimnis. Um es
gleich vorweg zu nehmen: Kate Moss ließ sich nicht blicken, zumindest nicht
auf der Bühne (ganz im Gegensatz zum Babyshambles-Gig im Herbst 2006 – siehe
London Special). Vor Ort war sie jedoch, die Gute, wie uns die
geliebten Tabloids am Tag darauf wissen ließen. Und sie brachte ihre Mutter
mit. Schlagzeile des Tages diesbezüglich war übrigens die Tatsache, dass
sich das Outfit der fitten Kate und jenes ihrer nicht unfitten Mutter stark
ähnelten. Ja, es gibt immer was zu berichten. Dass weder Qualities noch
Tabloids es der Mühe wert fanden, auch nur eine Zeile der künstlerischen
Seite des Abends zu widmen, spricht für sich. Drum sei es an dieser Stelle
getan.
Jamie Hince, Gespielin Alison Mosshart und die Beats vom Band boten eine
intensive, exakt eineinhalbstündige Performance, die das Publikum
entsprechend zu würdigen wusste – und das sicherlich nicht nur aufgrund der
abgrundtief schlechten Vorgruppe. Hince werkte durchwegs höchst fokussiert.
Hektische Handbewegungen durch sein strubbeliges Haar war das einzige, was
nicht direkt dem Zweck diente. Andererseits muss man ja auch immer auf sein
Äußeres achten; gerade unter den Augen der strengen Indiegemeinde Londons.
Während Hince für diverse Effekte und noise-lastige Klänge mit seiner
Gitarre sorgte, griff Mosshart nur selten zu ihrer. Stattdessen
räkelte sie sich energisch um dem Mikrofonständer. Anstatt das Mikro
abzunehmen, wurde der Ständer von ihr mitgerissen, als sie sich lasziv am
Boden räkelte – ein nicht unschöner Anblick. Kleine Enttäuschung des Abends
war zweifelsohne das Ignorieren von „The good ones“, dem größten bzw.
einzigen Hit der Band pre-Moss, während „Cheap and cheerful“ natürlich
entsprechenden Anklang fand.
Mindestens eine Generation älter war das Publikum, welches sich zwei Tage
später ins schmucke Hammersmith Apollo drängte. Platzangst war gegeben, da
die Fans der an diesem Abend auftretenden Band alle Vorurteile bestätigte
und Klischees – im wahrsten Sinne des Wortes – ausfüllte. Glatzköpfige,
gealterte Dickbäuche wurden an diesem Abend schnell zum gewohnten Anblick,
nachdem sie im Astoria zwei Tage zuvor noch die Bulimie-Fraktion
versammelte.
Es wäre nicht die Wahrheit, würde man behaupten, Motörhead wären eine der
experimentierfreudigsten Bands dieser Welt. Man weiß einfach, was man
bekommt, wenn man es wagt, sich dem Krawall von Lemmy und Kumpanen
auszusetzen. Erste Überraschung des Abends, was den Hauptact betrifft, war
die Lärmpegel. Während sich dieser im Laufe des Gigs, was das Publikum
betrifft, merklich erhöhte, war man sich sicher, dass das famose Trio „in
the old days“ einfach lauter war. Eigener Hörfehler durch jahrelange
Überbelastung nicht ausgeschlossen.
Nachdem Saxon, eine weitere Ansammlung von Metal-Veteranen, dem Publikum
bot, was diesem gefiel, war um exakt 21:30 Uhr ein altbekannter Satz zu
hören: „We are Motörhead, and we play fuckin’ Rock’n’roll!“ Und so war es
dann auch – surprise, surprise. Wenig kreativ wurde zu Beginn zu jedem Song
das entsprechende Albumcover auf die beiden Screens, die sich auf der Bühne
befanden, projiziert. Später gab es Aufnahmen von fixierten Kameras, welche
Kilminster, Campbell und Dee beim Handwerken zeigten. „Ace of spades“ im
Zugabenblock, das war zu erwarten; „God save the queen“ eigentlich ebenso.
Alles in allem eine sehr routinierte Rock-Show mit passablem
Unterhaltungswert, wenn man sich keine Wunderdinge erwartet.
Credit crunch, fremdgehende Fernsehköche und Dschungel-Grauslichkeiten – was
eben gerade die Schlagzeilen bestimmte – beiseite, wird auf der Insel
derzeit auch heftig debattiert, was Livemusik betrifft. Und zwar geht es um
das sogenannte Formular 696. Während es in London bereits in Kraft ist,
laufen Künstler, Veranstalter und Agenturen Sturm gegen das flächendeckende
Inkrafttreten der Richtlinie. Das umstrittene Dokument verpflichtet
Eventveranstalter, diverse Daten über auftretende Künstler der Polizei zur
Verfügung zu stellen – welche hofft, mithilfe dieser Informationen auf das
Gewaltpotential im Publikum schließen zu können. All dies soll unter dem
Deckmantel der Prävention passieren in der Stadt, welche durch die rasant
ansteigende Zahl von Messerattacken unter Jugendlichen mit Todesfolge
gebrandmarkt wurde.
Weller 2008, Teil 3 hieß es wiederum drei Tage darauf. Einerseits ist der
mittlerweile 50jährige dafür bekannt, immer alles zu geben; andererseits war
dies sein bestes Konzert dieses Jahres, soweit sich dies von hier – nach
Anwesenheit beim Auftritt am
Exit-Festival sowie
im Wiener Konzerthaus – beurteilen lässt.
War im Juli ein routiniertes Festival-Set für ein überaus dankbares Publikum
zu hören, ließ der Wien-Gig jeglichen Glanz vermissen, den man sich bei
dieser besonderen Location (und derart gesalzenen Eintrittspreisen) erhoffen
durfte. Schuld war damals primär die miserable Soundabstimmung; das Publikum
im halbvollen Konzerthaus muss sich jedoch auch den Vorwurf der Passivität
gefallen lassen. Aber dies ist Vergangenheit und zu jener hat der stets
zukunftsorientierte Weller ein überaus gesundes Verhältnis.
Große Überraschung des Abends in London war die unterdurchschnittliche
Resonanz des sonst so enthusiastischen Londoner Publikums – abgesehen von
den wenigen The Jam-Klassikern wie „Eton rifles“ und dem Rausschmeißer „A
town called malice“. Los ging es bereits um 20:40 Uhr, was gerade für
Londoner Verhältnisse außerordentlich früh ist. Dies hatte nichts mit der
lahmen Kopiermaschine namens Moke zu tun, sondern schlichtweg damit (und
hier sei das Risiko der Befangenheit und Schleimspur in Kauf genommen), dass
Mister Weller darauf erpicht ist, eine fabelhafte Show zu bieten – auch was
die Länge betrifft. Was soll man sagen – es ist ihm wieder einmal gelungen.
Zum großartigen „Whirlpool’s end“ wurde ein ergreifender Kurzfilm gezeigt,
welcher einen „ganz normalen Tag“ portraitiert. Als es sich herausstellt,
dass es sich bei eben jenem Tag um den 11. September 2001 handelt, wird von
Saddam Hussein bis Mahatma Gandhi alles eingeblendet, was die weltpolitische
Skala zu bieten hat. Nichtsdestotrotz ein Feature, welches das
Gesamterlebnis, nämlich die druckvolle Performance eines hervorragenden
Songs, noch intensivierte.
Kleiner aber angenehmer Unterschied zum Wien-Gig: der Akustikteil wurde ohne
weibliche Unterstützung absolviert, dafür durften Schlagzeuger und Bassist
(beide hatten dafür eine Gitarre zur Hand genommen) jeweils eine Strophe von
„All on a misty morning“ solo singen, und damit unpeinliche
Lagerfeuerromantik verbreiten.
Feuer sah man auch vor sich, und zwar in den Augen des Großmeisters, als –
man kann es kaum glauben – der Anfang von „Come on / let’s go“ völlig
vermasselt wurde. Wenn Blicke töten können, hat sich wohl in diesen Momenten
Gitarrist Steve Craddock gedacht. Dass dieser wirklich ein Meister seines
Fachs ist, macht die Tatsache, dass es zu diesem Fauxpas kam, noch
unglaublicher – noch dazu bei solch schlichtem Intro wie jenem von „Come on
/ let’s go“.
Das beeindruckende Gesamterlebnis konnte durch diesen Aussetzer
selbstverständlich nicht getrübt werden. Viel mehr konnte man danach
innerlich erleichtert aufatmen – Paul Weller ist auch nur ein Mensch.
Review / Fotos
Thomas Hochwarter
Copyright: www.britishrock.cc
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2008
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