Nova Rock 2024 - wenn Hollywood und Metal gemeinsam laut werden



17. Juni 2024
Erstellt von: M. Tanki


13
Juni
Nickelsdorf Österreich


Wenn der Himmel auf deine verbrannte Stirn weint, die dröhnenden Boxen deine Wadel massieren und plötzlich John Wick aka Keanu Reeves mit Bassgitarre auf der Bühne steht – dann weißt du, du bist beim Nova Rock 2024. Die Pannonia Fields haben wieder alles gegeben – Wind, Wetter, Wellenbrecher-Action und ein Line-up, bei dem die Spotify-Playlist länger ist als ein 4-Tage-Dauerrausch.




 

 

 

 

 

 

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Dass wieder über 200.000 Besucher:innen das Gelände in Nickelsdorf in ein pulsierendes Festivaldorf verwandelten, merkte man nicht nur am Andrang vor den Bühnen, sondern auch an den vollen Campingflächen, den kilometerlangen Festivalmärschen – und dem gelegentlichen Stau rund um die burgenländische Grenze. Die Anreise mit Shuttle, Zug und Auto wurde zur logistischen Geduldsprobe, aber hey: Wer zum Nova Rock fährt, sucht kein Komforterlebnis, sondern ein echtes Abenteuer mit Charakter.

Musikalisch bot das Festival einige Größen aus verschiedenen Dekaden. Die Rock-Veteranen von Green Day haben ihre Fanbase einmal quer durch drei Jahrzehnte geschreddert – von „Basket Case“-Jugendträumen bis zu „American Idiot“-Wutbürgerhymnen. Sänger Billie Joe Armstrong wirkte jung und frisch und hatte jede Menge Energie.


Startschuss: Green Day setzten als Headliner die ersten Highlights. Fotos: M. Tanki

Tag eins des Nova Rocks war zweifellos stark besetzt – ein Line-up, das sich sehen lassen konnte. Von Silverstein zum Auftakt über energiegeladene Auftritte der Donots und The Interrupters bis hin zur seltenen Gelegenheit, Dogstar live zu erleben, war für Fans verschiedener Rockspielarten einiges geboten. Der Abend wurde mit Legenden wie Jane’s Addiction und Billy Talent weiter angeheizt, bevor Green Day schließlich mit einem mitreißenden Headliner-Set das Finale setzte. Ein Tag, der die Latte für den weiteren Festivalverlauf hoch gelegt hat.

Apropos Dogstar: Auch Hollywood schlich sich diesmal leise aufs Festival – Keanu Reeves, Bass in der Hand, nicht als Actionheld, sondern als Musiker mit Dogstar. Keine PR-Show, kein Rampenlicht-Gehabe, sondern ehrlicher Alternative Rock mit einem Hauch von Matrix-Melancholie. Und genau diese Zurückhaltung machte den Auftritt zu einem der unerwartetsten Highlights.


Kino auf den Pannonia Fields: Hollywood-Star Keanu Reeves (John Wick, Matrix, Speed) mit seiner Band Dogstar.

Am zweiten Tag drehte das Nova Rock richtig auf: Thy Art Is Murder und Machine Head sorgten für schwere Riffs und staubige Moshpits, bevor Parkway Drive mit Pyroshow und Power den Platz zum Kochen brachten. Avenged Sevenfold lieferten ein technisch starkes Set als Headliner – düster, laut, präzise. Auf der Red Stage boten Folkshilfe, Fäaschtbänkler und Pendulum ein tanzbares Kontrastprogramm – von Alpenbeats bis Drum’n’Bass.

Und dann kam Otto.

Ja, Otto Waalkes. Der Otto. Zwischen all dem Geschrei, Gebrüll und Gitarrengewitter stand plötzlich ein 75-jähriger Ostfriese auf der Bühne und verwandelte das Festival in einen absurden, zauberhaften Parallelkosmos. Statt Doublebass gab`s „Holladihiti“, statt Moshpit wurde kollektiv gekichert. Und wer dachte, ein Rockfestival hätte keinen Platz für albernen Blödsinn, hat noch nie erlebt, wie 20.000 Festivalgänger „Friesenjung“ feiern, als wäre es die neue Nationalhymne. Otto war keine Randnotiz – er war das, was keiner erwartet hat und alle gebraucht haben: Ein Moment zum Durchatmen, Lachen und völlig loslassen. Zwischen Bierbechern, Pogo und Pyro war das pure Poesie.



Friesenpower mit Augenzwinkern. Otto lieferte – laut, lustig, legendär.

Der Samstag zeigte die Pop-Rock-Seite des Nova Rock – und wie vielseitig sie klingen kann. The Amazons, Blond und Granada lieferten einen sanften Einstieg, bevor die Sportfreunde Stiller Stadionfeeling verbreiteten. Auf der Red Stage wurde es härter – und schräger: Steel Panther lieferten Sleaze-Rock mit Zoten, Glitzer und absurder Bühnenshow. P.O.D. zeigten, dass „Alive“ und „Boom“ auch 20 Jahre später noch zünden.

Während die Sonne langsam hinter der Blue Stage verschwand, feierten Sum 41 eine Abschiedstour, die sich fast schon wie ein Running Gag anfühlt – aber verdammt nochmal, sie funktionieren noch. Und dem Motto: „Wir-hören-diesmal-wirklich-auf“ wurde klar: Diese Jungs kann man nicht ersetzen – höchstens in Zeitlupe beim Circle Pit verabschieden.

Der Auftritt von Avril Lavigne war der nostalgische Sprung zurück in die 2000er, nur leider ohne das Feuer von damals. Die Stimme wackelte, der Sound schwamm und der Bewegungsdrang hielt sich stark in Grenzen. Nach fünf Songs gab`s statt Konzert ein Karrierevideo – ein Moment irgendwo zwischen Cringe und Kult. Doch die Fans hielten ihr die Treue, filmten, jubelten und sangen mit – Nova-Rock-Herz schlägt eben auch bei gebrochener Performance weiter.


Sum 41 sagen Tschüss – aber nicht zu laut. Denn es ist der Abschied vom Abschied vom Abschied.

Am Sonntag dann der letzte Kraftakt – und das Nova Rock zeigte noch einmal, wie breit es aufgestellt ist. Von Wendis Böhmischer Blasmusik zum Frühstück bis Bring Me The Horizon als donnerndem Finale war alles dabei: Escape The Fate und Black Stone Cherry lieferten solide Rockkost, Beast in Black setzten auf Power-Metal mit 80s-Flair.

Biohazard brachten Oldschool-Wucht, Babymetal mischten J-Pop mit Gitarrenfeuer, die Dropkick Murphys sorgten für Pogo und Pint-Feeling. Bring Me The Horizon schlossen das Festival mit einem audiovisuellen Monster-Set ab – modern, massiv, mitreißend.


Natürlich gab’s auch den obligatorischen Wolkenbruch, der das Festivalgelände kurzfristig in einen Ententeich verwandelte, was auch Veranstalter Ewald Tatar mit grimmiger Miene hinnehmen musste. "Vier Wetterdienste haben zwischen ein und sechs Liter Regen vorausgesagt - und dann haben wir 25 Liter abbekommen", ärgerte er sich im APA-Gespräch. Aber ganz ehrlich: Nova Rock ohne Matsch ist wie Slayer ohne Riffs – möglich, aber sinnlos.


200.000 Menschen feierten das Nova Rock 2024. Friedlich und ohne Zwischenfälle.

Fazit?

Nova Rock 2024 war wieder eine wilde Mischung aus Gänsehaut, Gekreische, Gitarren – und ein bisschen Gatsch. Ein Ort, wo du morgens mit Bier aufwachst, nachmittags im Circle Pit schwimmst und nachts zu Metalcore-Gewitter einschläfst. Kurz gesagt: Es war geil. Und wenn du nicht dabei warst – fang schon mal an zu sparen, denn vom 12. bis 14. Juni 2025 wird’s laut: Wer die bereits angekündigten Slipknot, Wanda, Electric Callboy und Lorna Shore nicht verpassen möchte, kann ab sofort beim Early-Bird-Ticket zugreifen. Nach dem Festival ist schließlich vor dem Festival, und obwohl Ewald Tatar vom endgültigen Abschied des 4-Tage-Marathons spricht (wir glauben wirklich nicht daran), flüstert das Festival-Universum von einer Oasis-Reunion und Mike Shinoda spricht offen wieder über seine Linkin Park. Klingt wild? Klingt nach Zusatztag! Eben – klingt ganz nach Nova Rock!







Wir sind Konzert. Wir sind Festival.